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Bernhard-Evangelium


«Ich zitiere aus dem Bernhard-Evangelium»

Moritz Leuenberger begrüsst an den Matinées im Bernhard-Theater Gäste
aus Kultur, Politik und Unterhaltung. Ein Gespräch über Humor, beleidigte Leberwürste
und die neuen Freiheiten eines ehemaligen Bundesrats in Rente.

Text: Christoph Frei Bild: Gabriel Zwicky - MIGROS-WELT | MM45, 6.11.2017 95

bernhard evangelium

«Ich wusste sofort: Das ist eine grosse Chance. Endlich weg vom politischen Ernst.» Moritz Leuenberger über sein Engagement am Bernhard-Theater

Von der grossen Politbühne der Welt auf die Nudelbrett-Bühne des Bernhard Theaters. Herr Leuenberger, ist Ihre Rolle als Gastgeber der Bernhard-Matinée ein Abstieg?
Eher ein Umstieg. Theater und Politik sind ja enge Verwandte. Unterhaltung wird politisch oft unterschätzt. Sie hat aber einen grossen Einfluss auf unserDenken und Fühlen.

Die Bernhard-Matinée geniesst Kultstatus und ist bis Januar ausverkauft. Dabei ist das Vorstellungskonzept simpel: Sie unterhalten sich mit Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Co. Wie erklären Sie sich den Erfolg?
Mit dem Publikum: Es schafft eine Stimmung, die die Gäste auf der Bühne ansteckt. Vielleicht ist es auch die Mischung zwischen Tiefsinn und Humor. Ernste Probleme können sehr gut humorvoll behandelt werden, manchmal müssen sie das sogar.

Wir behaupten, der Erfolg liegt hauptsächlich am Gastgeber.
Der Inhalt kommt zuallererst! Als der Fraumünster-Pfarrer mit mir unvermittelt in einer Diskussion über Ästhetik in der Religion landete, waren die Zuhörer richtig begeistert. Dass ich nachher aus dem Bernhard-Evangelium zitierte, das es gar nicht gibt, ist die Mischung von Ironie und Ernst. Davon lebt die Matinée.

Brauchten Sie Bedenkzeit, als man Ihnen anbot, die Bernhard-Matinée zu moderieren?
Ich zierte mich lange. Aber das war Show, denn ich wusste sofort: Das ist eine grosse Chance. Endlich weg vom politischen Ernst.

Wie finden Ihre Gäste den Weg in das Bernhard Theater? Wie gehen Sie bei den Einladungen vor?
Wir sind ein Team. Gäste aus Musik und Kabarett wählen wir nach dem Angebot auf anderen Bühnen oder aus aktuellem Anlass. Emil kam wegen seines Jubiläumsprogramms. Martin Suter und Stephan Eicher stellten ihr neues Projekt vor. Isabelle Moret kam unmittelbar nach der Bundesratswahl. Und Peter von Matt führte uns ins Küssen ein; das ist ja immer aktuell.

Kürzlich hatten Sie Harald Schmidt als Gast. Dieser konnte immer auf ein ganzes Team von Gagschreibenden zurückgreifen. Wer schreibt Ihre Gags?
Eigentlich habe ich keine Gags, ich reagiere eher spontan. Und die vorbereiteten Sprüche kommen mir in der Nacht vor dem Auftritt in den Sinn. Es braucht halt auch einen gewissen Adrenalinspiegel, und der kommt erst kurz vor der Vorstellung.

Alles wäre möglich: Wer wäre Ihr absoluter Traumgesprächspartner, ihre absolute Traumgesprächspartnerin? 
Donald Trump, unmittelbar nach seinem Rücktritt. Ich hoffe, das klappt bald. 

Wären Überraschungsgäste – von denen Sie im Vorfeld nichts wüssten – willkommen?
Ich bin Blind Dates nicht so gewohnt. Das könnte jemand sein, den ich auf der Latte habe – und er mich auch. Der Schlachthof meines früheren Berufs führte zu vielen beleidigten Leberwürsten, mich inbegriffen. Das könnte wüste Diskussionen geben, die ich meinem Publikum nicht zumuten will.

Sie glänzen aber durch eine beneidenswerte Schlagfertigkeit. Kam Ihnen diese in der Politikauch schon zugute?
Ich habe meistens nicht gesagt, was ich auf der Zunge hatte. In Bern sind wir ja auf Konsens und Kollegialität konditioniert, man sitzt dann besser aufs Maul. Davon bin
ich jetzt befreit.

Ihre zum Teil, entschuldigen Sie die Formulierung, kontrolliertfahrige Art, ist auch Ihr Markenzeichen. Spielen Sie das – oder ist das echt?
Das gehört zu meiner Persönlichkeit. Kabarettisten haben mich ja auch immer so imitiert. Jetzt mache ich das selber.

Man wird den Bundesrat wohl nie ganz los. Ist das ein Vor- oder Nachteil?
Diese Vergangenheit gehört zu mir, und ich darf sie nicht ausblenden. Die Theaterbühne hilft, sie zu bewältigen. So ist die Matinée für mich auch eine Psychotherapie.

Werden Sie in der Öffentlichkeit noch oft von Leuten spontan angesprochen?
Ja, vor allem wenn die SBB Verspätung hat oder im Zug die WC-Tür klemmt. Die Antwort habe ich aber parat: «Zu meiner Zeit wäre das nie passiert.» 

 

Programm und weitere Informationen:
www.bernhardtheater.ch